04 März 2013

Abschied von Porto

Solange die Menschen regelmäßig Geld beziehen, für das es noch genug zu kaufen gibt, solange sind die Meisten zufrieden. Wenn die Versorgung prekärer wird, versteht der Mensch die Welt nicht mehr. Die Medien- und Politkampagnen wirken nicht mehr. Aufstand droht.


Die Nachrichten eines Nachmittags schlagen gleich Hagelkörnern auf Frühlingsblumen mir auf 's Gemüt: "Obama ordnet Spardiktat an, Detroit ruft finanziellen Notstand aus, Wahlsieger Grillo prophezeit Italiens Kollaps, Frankreich gibt Deutschland die Schuld an der Krise."  Das lässt die meisten Leser kalt, solange die Kasse stimmt, die eigene Kasse.



Dank der Versorgung mit neuem Gas ist mein Stübchen gut geheizt. Für 18 Euro gibt es 27 Kilometer weiter vom Campingplatz Marisol in Gaia bei Esmoriz den ersehnten Nachschub. Die Koordinaten N 40° 53' 46.3'' W 8° 36' 51,4'' aus dem sorgfältig recherchierten Reiseführer "Mit dem Wohnmobil nach Portugal" stimmen exakt. Es ist einfach, dem Navi an dies eingegebene Ziel zu folgen. Es lebt sich gut in meinem Rentner-Paradies. Doch die Nachrichtenlage hinterlässt Unbehagen.


Aus Kaufhäusern wie diesem schieben die Menschen ihre gut gefüllten Einkaufswagen zu ihren Fahrzeugen. Im Konsumtempel bilden sich Schlangen vor den Kassen. Die Kassierer füllen die Einkäufe noch in Tüten, wozu sie schätzungsweise Tonnen von Waren anfassen, hochheben und einpacken müssen.

Schiffe lasten Container über die Meere, landen in Städten wie Porto an, löschen die Fracht. Der global vernetzte Handel füllt Märkte und Mägen.

Der alte Mann schaut missmutig, weil sein Geschäft nicht so recht läuft. Es fehlen Sonne wie Kunden. Doch sein Bauch beweist: Der gute Mann ist stets gut satt geworden.



Eltern sorgen für die Jungen, die Jungen für die Alten. So zeigt es sich am Samstag nachmittag.

Das glückliche Brautpaar unter der Brücke strahlt in festlicher Stimmung. Das Leben soll schön sein, sorglos und sonnig.


Die Musik spielt dazu. Die Musiker über seit Jahrzehnten, sind aber Straßenmusiker geblieben. Man hört es. Doch außer den Kellner im Kaffee muss niemand ihnen allzu lange zuhören.



Wenn auch Dinge im Dunklen sich verbergen, so lässt sich ihr Sinn mit Glück und Geschick doch erkennen. Einst als beherrschte der Herr die Welt. Jetzt parkt eine Möwe auf seinem Arm hoch über dem Trubel des Straßenverkehrs und ihr Kot verätzt das Metall.




Leider fehlt der Sonnenschein, welcher den Farbkontrast zwischen der grünen Palme und dem roten Haus verstärkt.



Neben diesem Gebäude zeigt eine Kirche mit einem weltweit wohl einmaligen barocken Schnitzwerk ihre Kunstschätze. Der Eintritt von 3,5 Euro lohnt sich. Den Besuch sollte man sich leisten, auch wenn das Fotografieren in der S. Francisco Denkmalkirche verboten ist. Wiki zeigt diese unglaubliche Schnitzkunst und vergoldete Pracht:

 http://en.wikipedia.org/wiki/File:San_Francisco_Porto.JPG


Es ist augenfällig, dass die Kirchen innen wie außen in recht passablem Zustand erhalten sind und werden. Krass der Kontrast: Verfallende Wohngebäude mitten in der Stadt.



Der Eintritt zur Denkmalkirche S. Francisco berechtigt auch zum Besuch eines Museum mit den Katakomben. Dort liegen Gräber der reichen Bürger Portos, als Friedhöfe noch nicht in Mode waren.



Die Sakrale Kunst lässt ein schönes, schlankes Bein aus dem wallenden Kleidchen blicken, auch wenn uns das schöne, schlanke Kind die kalte Schulter zeigt.



Mein 72jähriger Reisebegleiter Adolf zeigt eine Engelsgeduld, wenn mich meine vertiefte Betrachtung von Menschen, Stadtszenen und Gebäuden lange verweilen lässt.


Immerhin droht von dieser Ruine mitten an einer belebten Stadtstraße kein Steinschlag.



Wo Wäsche hängt, wohnen Menschen. Das Haus zur linken Nachbarschaft ist aufgegeben. Detroit hat den finanziellen Notstand ausgerufen. Die Krakenklauen der Krise würgen den Wohlstand auch in europäischen Metropolen ab.



Meine Schätzung, meine unmaßgebliche und ungeschulte Schätzung: Ein Drittel der Bausubstanz im Zentrum von Porto ist marode, vielleicht sogar ein Viertel unbewohnbar.


Es scheint an der Zeit, dass der schnauzbärtige Herr, von der nackten Schönen umarmt, seinen Mantel ablegt.

Für ein größeres Gebäude hinter dem Turm reichte der Platz nicht aus. Dafür war nach oben genug Luft, um zu bauen.


Wie zumeist an plätschernden Brunnen sitzen auch an diesem junge Leute, um ihr Bierchen zu schlürfen.



Der zentrale Platz vor dem Rathaus leert sich langsam nach der Großdemonstration gegen das Spardiktat der Troika und des IWFs. Doch noch bleiben Tausende versammelt, um gegen die Steuererhöungen zu protestieren.


In Griechenland, Portugal, Italien, Frankreich und Grossbritanien protestieren Menschen auf der Straße, solange sie Kraft und - wie hier in Porto am Samstag - Zeit dazu haben. Dass dennoch die Krise krasser kommt, die Kasse knapper wird, erzwingen knappe Ressourcen an Wasser, Nahrung, Rohstoffen und Energie. Es ist höchste Zeit, kriminelle Eliten zu entmachten:

Good Italy, Bad Italy a Girlfriend in Coma: Film in YouTube 89 Minuten





Meine Meinung: Der BBC-Film ist erschütternd. Bekannt ja, dass Berlusconi in der Loge P1, einer kriminellen Vereinigung, eine Rolle spielt.
Dass diese elitären Verbrecher mit ihren faschistoide-kriminellen Strukturen, uns in Deutschland mit dem durch den Euro unverbrüchlich verbundenen Wirtschaftsgemeinschaften reinreißen, scheint mir unausweichlich. Auch der eklatante Steuerbetrug in Griechenland und die dort schlecht arbeitsfähigen staatlichen Strukturen fallen als weitere Steine aus unserem europäischen Haus.
Inwieweit ein Hollande in Frankreich sich die Wahl dadurch erkauft, dass er das Rentenalter wieder auf 60 Jahre reduziert, kann kein Wettbewerbsvorteil für die französische Industrieproduktion und Staatsverwaltung sein. Schließlich steht Europa in globaler Konkurrenz mit der gnadenlosen Produktion gegen Mensch und Natur in China, Indien und Asien.
Dass sich kriminell-mafiöse Eliten als Staatenlenker in unseren Nachbarländern leicht in nationalistische Feindbilder ummünzen lassen, um so von Fehlverhalten im eigenen Land abzulenken, ist der nächste Punkt.
Der BBC-Film ist eiin Meisterwerk, gerade die rechte Botschaft in meinem nächsten Urlaubsort:

 

Ein Fahrradausflug durch Gaia, die gegenüberliegende Stadt von Porto, zeigt Burgerking und den Preis für Diesel: 145,9 Cent/Liter.


Wer in Porto einfliegt, mag ja im Holiday Inn in Gaia eine passable Absteige finden. Mir ist die Walkuh mit meinen sieben Sachen lieber.


Nach soviel alten Bauwerken in mehr oder minder bedauernswerten Zustand bringt die Verkaufszentrale von Mercedes-Benz wieder Glanz in Gaia.



Die schöne, neue Welt des Konsumtempels in Gaia kontrastiert augenfällig mit dem Bootsbau für die Touristen am Douro.



Im Gegensatz zu Marokko, wo der Bootsbau aus Holz noch der Seefahrt zum Fischfang dient, befördern die Holzboote in Porto nur noch Touristen.


Ein Besuch zumindest einer Portwein-Kellerei ist in Porto angesagt. Wir wählen die von Sandemann in Gaia.


Mein Reisekamerad Adolf setzt sich neben die Führerin unserer Besuchsgruppe in Szene. Nachdem wir Hunderte von Fässern, kostbare Jahrgangsweine und 20.000 Liter-Bottiche in Menge bewundert haben, müssen wir noch 10 Minuten einen Werbefilm über die Portwein Herstellung von Sandeman über uns ergehen lassen. Dann belohnt uns eine Weinprobe von weißem und rotem Wein.



Diese Jahrgangs-Qualitäten sind nicht unter 3000 Euro pro Flasche zu kaufen. Einmal geöffnet, sollte die Flasche an einem Tag geleert werden, weil sie sonst ihren einmaligen Geschmack einbüßt.

Hier nun am Ziel der Führung belohnt diese Weinprobe unsere Anstrengung und Aufmerksamkeit.


Beschwingt vom süßen Wein steigen wir die Treppen durch die Altstadt von Gaia hinauf, etwa 100 Meter. Wir bewundern die harmonische Verbindung von alter Villa und Plattenbauten. Doch die Rückfahrt in der Gondel für die kurze Strecke zum Preis von fünf Euro verkneifen wir uns, da wir noch unserer Füße mächtig sind.




 Es kommt Abschiedsstimmung von Porto auf. Mit ein wenig Wehmut betrachten wir die Dächer mit den Schätzen von Sandemans Portwein, die alte Eisenbrücke über den Douro. Der Wetterbericht sagt Regen voraus. Die Wolken kündigen ihn an.



Immerhin soll dies reichlich ruinierte Gebäude mit neuem Treppenaufgang einen Käufer finden.

Adieu Porto! Adieu Sandemans Portwein-Kellerei! Unsere Straße führt weiter.


Meine Lust auf Fahrerei ist schon nach 50 Kilometer verflogen. In Torreira, einer lauschig verschlafenen Meeressommerfrische auf einer langen Lagune ist für mich schon Feierabend. Ein Campingplatz bietet für 9,4 Euro Strom und WiFi. Dort lässt sich der Regen und Wind bei einer Außentemperatur von 15 Grad gut aushalten. Der Blick auf das verregnete Meer in grau und blau ist keiner weiteren Anmerkung wert.






Doch ein Blick auf dies Boot in der Lagune von Torreira lohnt schon noch.

Bis Mittwoch soll sich das Wetter kaum bessern. Immerhin ist es warm.
r

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